Eröffnungsrede zur Werkschau von Roswitha Huber in der Pia Arce Galerie.
Es ist nicht immer einfach Kunstwerke mit Worten zu beschreiben; das Werk einer Künstlerin in gesprochene Sätze zu packen. Für mich sprechen gute Kunstwerke ihre ganz eigene Sprache. Deshalb lade ich Sie dazu ein, zwar meinen Worten aufmerksam zu lauschen – aber im Anschluss noch aufmerksamer, mit offenen Augen und Ohren durch die Ausstellung zu gehen und zu entdecken, was Ihnen Roswithas Werke sagen, zuflüstern, was Sie persönlich darin sehen.
Im Idealfall sind meine Worte also ein kleines »Magentratzerl«, wie man im Bayrischen so schön sagt, das Ihnen Lust auf mehr, Lust auf die Erforschung der eigentlichen Kunstwerke heute Abend macht.
Müsste ich Roswithas künstlerische Arbeit mit einem Wort zusammenfassen, so wäre es wohl vielfältig. Laut Duden beschreibt dieses Wort die »Fülle von verschiedenen Arten und Formen in denen etwas Bestimmtes vorhanden ist, vorkommt, sich manifestiert; [eine] große Mannigfaltigkeit«. Als Beispielsatz wird genannt »eine erstaunliche, bunte, verwirrende Vielfalt aufweisen« und ich finde das trifft als Beschreibung für Roswithas Gesamtwerk schon fast den Nagel auf den Kopf.
Genau diese erstaunliche, bunte auch verwirrende Vielfalt möchte ich mit Ihnen heute Abend auf drei verschiedenen Ebenen betrachten: Beginnend mit dem großen Ganzen – der Vielfalt in Roswithas Gesamtwerk, als erste Ebene. Die ist zwar heute nicht direkt zu sehen, aber ich werde ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern. Daran anschließend, vor allem gut in den großen Werken zu sehen: die Vielfalt an Formen, Farben und Techniken die in einzelnen Arbeiten stecken. Und zu guter Letzt, ein Blick auf die verhältnismäßig kleinen Arbeiten, die ganz neue Aspekte aufwerfen.
Also zuerst zu dem, was heute nur ausschnitthaft zu sehen ist, dennoch eine große Rolle spielt. Die Vielfalt im Gesamtwerk. Roswithas Gesamtwerk ist geprägt von einer unglaublich großen Offenheit zu verschiedensten Kunstgattungen, in denen ihr kreatives Schaffen Ausdruck findet. Heute Abend sehen Sie fast ausschließlich Malereien. Auf den ersten Blick zumindest, sind keine weiteren Genres vertreten. Doch Roswitha fühlt sich in nahezu allen künstlerischen Ausdrucksformen zuhause; vor zwei Wochen zeigte sie in einer kleinen Ausstellung in ihrem Atelier fotografische Arbeiten, die mit sozialkritischem Blick unsere Welt und inszenierte Momente des Alltags zeigen.
In ihrer Serie von Collagen »She suddenly said« kombiniert sie Ausschnitte aus Magazinen mit gemalten und gezeichneten Elementen. Durch die Wahl des Untergrunds, milchiges Transparentpapier – entsteht auch ein ganz neues Bild auf der Rückseite des Werkes, das teilweise mit bearbeitet wird. Ein Spiel aus Offensichtlichem und Hintergründlichem, aus Schatten, Licht und Durchsichtigkeit.
Roswithas Arbeiten verlassen aber auch die Zweidimensionalität und treten in den Raum. Vergangenes Wochenende war eine beeindruckende Videoinstallation im Planetarium in Nürnberg zu sehen, bei der die Künstlerin ein Klavierkonzert des Komponisten Erik Satie in ihre Bildsprache übersetzte. Während des Konzerts wurden ihre Werke in den Raum projiziert und schufen in Kombination mit der Musik ein einmaliges Kunsterlebnis. Und das alles sind nur kleine Ausschnitte ihres künstlerischen Schaffens. Die Grenzen zwischen Fotografie und Installation, Videoarbeiten, Skulptur und Malerei scheinen in Roswithas Werk fließend bis kaum existent – sie arbeitet völlig intermedial. So können Sie auch heute Abend, bei genauem Hinsehen, in der ein oder anderen Malerei Elemente aus ihren Collagen der Serie She suddenly said entdecken.
Womit wir bei der zweiten Ebene der Mannigfaltigkeit wären – der Farbe, den Formen und den verschiedenen Werkzeugen die Roswitha bei der Gestaltung ihrer Arbeiten, im speziellen der Malerei, verwendet. Besonders eindrücklich zeigt sich dieses Konglomerat in den Werken der Serie »Deep Spaces«. Diese sind heute Abend dort an dieser Wand zu sehen.
Seit Ende der neunziger Jahre arbeitet Roswitha kontinuierlich mit sehr natürlichen, runden Formen, sagt selbst von sich: »organische Formen und natürliche Materialien haben mich immer fasziniert«. Während diese organischen Gerüste in früheren Arbeiten eine Hauptrolle auf der Leinwand spielten, traten sie im Verlauf der Jahre erst zugunsten von Farbflächen zurück. Nun ergänzt sie zu den Farbflächen auch fluchtperspektivisch angelegte, architektonisch anmutende, geometrische Flächen. In den Werken »Deep Spaces IV« und V sind die ursprünglichen, organischen Formen, durch den pastosen Farbauftrag oder die Verwendung von Leim und anschließender Übermalung, nur noch als reliefähnliche Hebungen und Senkungen im Hintergrund zu sehen.
In dieser Werkreihe tritt zudem eine neue Farbgebung auf. Zwar sind, im Detail, unglaublich viele Farben im Bild zu finden – von rot über blau, gelb, grün und silber – trotzdem wirken die Werke alles andere als bunt. Die Arbeit ziehen uns durch dunkle Farbgebung und perspektive in ihren Bann. Mir persönlich geht es bei den Arbeiten so, dass ich mich fast ins Bild hinein gezogen fühle, erst relativ nah dran gehen möchte, bevor ich wieder einige Schritte zurück trete um die Gesamtheit des Werks überblicken zu können.
Auch bei der Wahl ihrer Werkzeuge und Malmittel scheint Roswitha kaum Grenzen zu kennen. Da wird mit Acrylfarben gemalt, mal viele lasierende Schichten übereinander, mal pastos und haptisch, da wird gezeichnet, gedruckt, es werden Leimschichten aufgetragen die einzelne Farben betonen und es wird gesprayt, mit feinperliger Farbe, über Schablonen, Gegenstände und Linien. Am Verlauf einzelner Farbtropfen ist auch zu sehen, dass die Bilder während des Malprozesses immer wieder gedreht werden.
Im Gegensatz zu den großen Arbeiten, die uns im ersten Moment durchaus herausfordern, sind Roswithas kleinere Arbeiten fast schon die Quintessenz ihrer Bildsprache. Geometrie steht klar organischen Formen gegenüber. Sie zeigen zwar auch eine große Zahl an unterschiedlichen Farben und Arbeitsweisen bringen aber Formen und Farben auf den Punkt. Die kleineren Werke stehen den großen also in nichts nach. Es gibt viel zu entdecken und doch sind die Bilder geprägt von einer ungewöhnlichen Klarheit.
Nach dieser eingehenden theoretischen Betrachtung auf drei verschiedenen Ebenen und hoffentlich auch später noch, nach ihrem Rundgang durch die Ausstellung, können Sie mir glaube ich zustimmen, dass die Künstlerin in ihren Werken eine außerordentliche Vielzahl an unterschiedlichen Farben, Formen und Arbeitsweisen zeigt. Dass das Wort vielfältig die Sache ganz gut beschreibt. Was viele andere Künstler überfordern würde – an der Grenze zum Chaos Ordnung zu schaffen, beherrscht Roswitha durch ihr kontinuierliches, leidenschaftliches Arbeiten. Die eingangs beschriebene erstaunliche, bunte und teilweise auch verwirrende Vielfalt tritt mit der Zeit, nach genauem Hinsehen und nach Betrachtung der unterschiedlichen Arbeiten, in einen einzigartigen Dialog. Einen Dialog zwischen Mannigfaltigkeit und Klarheit. Nun wünsche ich Ihnen für den heutigen Abend offene Augen, Lust am genauen Hinsehen und ruhige Momente um diesen Dialog der Vielfalt und Klarheit für sich zu entdecken. Herzlichen Dank Pia für die Einladung heute Abend hier zu sein; Danke Roswitha für die inspirierende Ausstellung und Danke Ihnen fürs Zuhören.